Man kann und muss über alles reden:

Man kann und muss über alles reden:

Solange ich mich erinnern kann, gab es nie eine Zeit, in der man immer einer Meinung war. Es gab immer Themen, über die man diskutieren „musste“, sei es in der eigenen Familie, im Freundeskreis oder mit der Familie und den Freunden über Größeres, Wichtigeres. Aber solange ich mich erinnern kann, herrschte hier auch immer ein gewisses Diskussionsniveau vor, keine Untergriffigkeiten, nie/selten unter der Gürtellinie. Wann hat sich das geändert, oder vielleicht noch wichtiger WARUM? Was man in letzter Zeit in den sozialen Medien verfolgen kann, ist für mich mehr als erschreckend. Wie kann es sein, dass man so gegeneinander hetzt? Man kann doch bitte jederzeit seine Meinung äußern, keiner muss derselben sein. Diskussionen sind wichtig, Diskussionen bringen neue Erkenntnisse und Diskussionen bringen uns weiter. Aber zu Diskussionen gehören auch Argumente, und die fehlen in den meisten Postings. Da heißt es immer wieder – und ich formuliere das jetzt mal nett – das ist alles „blöd“. Ja, es ist „blöd“, ständig diesen „Fetzen“ im Gesicht zu haben, ja es ist „blöd“, meine Freunde und Familie nur eingeschränkt treffen zu dürfen, und ja es ist wirklich „blöd“, dass meine Kinder im Homeschooling sind. 

Was ich aber auch „blöd“ finde, ist, dass etwas, was vor der Pandemie „normal“ war, jetzt solchen Aufschrei verursacht. Natürlich, es gab keine Masken, keinen Lockdown und kein Homeschooling; eben VOR Covid. Früher nannte man es Hausverstand und nicht Eigenverantwortung und dieser Hausverstand hat uns gesagt: wenn meine Freunde/Familie/Umgebung krank sind, wenn eine Erkältungswelle im Anrollen ist: DU HÄLST ABSTAND, DU WÄSCHT DEINE HÄNDE ÖFTER! Dadurch schützt du dich und gibst die Viren nicht an deine Familie weiter. Und heute heißt es, NEIN sicher nicht, ich lass mich nicht einschränken, ich lebe meine Freiheit. 

Nur seien wir uns ehrlich, diese Freiheit, mit der Ungewissheit, wann der nächste Lockdown wieder über uns hereinbricht, braucht und will keiner.  

Unsere Regierung fährt unser System nicht mit Absicht herunter, sie schließt sicher nicht mit Freude Geschäfte und Schulen. 

Nur, was soll sie bitte machen? Eine Pandemie ist neu für uns, für Europa. Keiner hat ein Pauschalrezept dagegen, keiner hat den perfekten Plan, keiner von uns (zumindest glaube ich das) hat eine Glaskugel, mit der er in die Zukunft blicken kann, um zu schauen, ob das der richtige Weg ist.  

Ich möchte für meine Kinder, dass sie eine Teenagerzeit und Kindheit verbringen dürfen, so wie wir früher. Ich möchte meine Freunde wieder uneingeschränkt treffen dürfen, so wie früher. Ich möchte meine Familie wieder besuchen können, Zeit mit ihnen verbringen dürfen, so wie früher. Ich weiß, da waren jetzt viele ICHs, aber diesen gesunden Egoismus bekommen wir nur zurück, wenn wir jetzt NICHT egoistisch handeln. Deswegen sollten wir zusammenhalten, deswegen sollten wir sachlich und vor allem konstruktiv argumentieren, nicht gleich von vornherein alles schlecht reden, den Dingen die nötige Zeit geben, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. 

Genau deswegen werde ich meine Maske tragen, wenn es sein muss, deswegen werde ich den nötigen Abstand halten – für meine Freunde, für meine Familie und für meine Kinder.  

Ihre

Kathrin Wiener